Falls sie einige Zeit zur Verfügung haben, können Sie diese Route wählen. Ihr erster Teil führt durch das ehemalige jüdische Ghetto (4-5 Stunden), der zweite an interessante Orte der Altstadt, einschliesslich der Sammlung der Nationalgalerie (ebenfalls 4-5 Stunden).
Josefstadt ist die Bezeichnung der ehemaligen jüdischen Stadt, die im Zusammenhang mit der Gleichstellung der Juden im Jahre 1850 aus dem Gebiet der Altstadt ausgegeliedert wurde und die fünfte Prager Stadt war. Der Name erinnert an Kaiser Josef II., unter dessen Herrschaft auch die Prager Juden endlich gewisse Bürgerrechte erhielten. Das Gebiet des ehemaligen Ghettos gehörte zu den ärmsten in Prag und gerade deshalb wurde hier Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine weitreichende "Assanierung" durchgeführt. Nur die Synagogen, das Rathaus und der alte jüdische Friedhof blieben erhalten. Diese überlebten auch die nationalsozialistische Okkupation während des 2. Weltkriegs, da Hitler gerade hier ein Museum der "ausgestorbenen" jüdischen Rasse errichten wollte.
Die bedeutenste Sehenswürdigkeit des jüdischen Ghettos ist die Altneusynagoge. Sie gehört zu den ältesten gotischen Bauten in Prag, hat aber wahrscheinlich einen noch älteren Ursprung. Dieser frühgotische, zweischiffige Bau entstand im 3. Viertel des 13. Jahrhunderts und erhielt trotz einiger kleinerer Veränderungen sein ursprüngliches Aussehen. Gegenüber, in der Červená-Strasse, steht die Hohe oder Rathaussynagoge, die in der Zeit der grössten Blüte des hiesigen Ghettos unter der Herrschaft Rudolfs II. Ende des 16. Jahrhunderts entstand. Aus dieser Zeit stammt auch das nebenanliegende Gebäude, das ehemalige Jüdische Rathaus (Maislova 18). Seine Bestimmung verrät es auch durch die Uhr mit einem hebräischen Zifferblatt. Beide Gebäude wurden im Laufe der Zeit mehrmals umgebaut. Durch die Strasse U židovského hřibitova (Beim jüdischen Friedhof) gelangen wir zur Klausensynagoge, die Ende des 17. Jahrhunderts im frühbarocken Stil an der Stelle älterer Objekte gebaut und im 19. Jahrhundert umgebaut wurde. Sie grenzt an den Alten jüdischen Friedhof, auf dem die Pinkassynagoge steht. Diese wurde Ende des 15. Jahrhunderts im spätgotischen Stil errichtet und während der Renaissance umgebaut. Bei kürzlich durchgeführten Renovierungsarbeiten entdeckte man im Kellergeschoss ein jüdisches Ritualbad - Mikve. An den Wänden dieser Synagoge sind die Namen von über 77.000 böhmischer und mährischer Juden geschrieben, die während des Holocaust ums Leben kamen.
Der jüdische Friedhof entstand über Jahrhunderte (das älteste Grab ist auf das Jahr 1439 datiert) wegen Platzmangels in Schichten übereinander. Die ca. 12.000 Grabsteine dokumentieren die 350jährige Geschichte dieses Friedhofs. Zu den bedeutensten gehört der Grabstein des grossen Prager Rabbi Löw - des angeblichen Schöpfers des Golems.
Nach der Schliessung des alten Friedhofs entstand Ende des 18. Jahrhunderts der Neue jüdische Friedhof hinter den damaligen Stadtmauern Prags (Eingang bei der Metrostation Želivského). Hier ist auch der bedeutenste, neuzeitliche jüdische Schriftsteller Prags begraben - Franz Kafka. Müdem Urlauber kommt hier zugute ein gemütlicher Sitz im Kosher-Restaurant King Solomon (Široká 8, siehe S. 132).
Die Maisel- (Mayzl-) Synagoge (Maislova 8), die nach ihrem Gründer benannt ist, wurde Ende des 16. Jahrhunderts im Renaissance-Stil erbaut. Ihr heutiges Aussehen ist Resultat eines neogotischen Umbaus. In den meisten Synagogen befinden sich heute wertvolle Exponate und Sammlungen sowie Ausstellungen. Die Altneusynagoge dient ihrer Bestimmung. Teil des jüdischen Museums ist eine Ausstellung in einer weiteren Synagoge, der Spanischen Synagoge. Diese befindet sich etwas abseits vom Zentrum des jüdischen Ghettos in der Dušní-Strasse. Sie entstand Ende des 19. Jahrhunderts an Stelle der sog. Alten Schule.
Am Moldauufer stehen hier natürlich auch Kirchen, sowie einige moderne Gebäude, die in diversen Pseudostilen sowie in Jugendstil oder Kubismus Ende des 19. und im 20. Jahrhundert erbaut wurden. In der Nähe des ehemaligen Ghettos befindet sich die kürzeste Moldaubrücke von Prag aus dem Jahre 1906. Die Čech-Brücke ist zum
einen die erste im 20. Jahrhundert erbaute Prager Moldaubrücke und zum anderen die einzige im Jugendstil. Interessant ist vor allem ihre bildhauerische Gestaltung sowie ihre feierliche Beleuchtung. Auf diesem Wege kommen Sie zum Restaurant Les Moules, das durch seine ausgezeichnete Küche bekannt ist (siehe S. 132).
Am Ufer entlang passieren wir ein Krankenhaus, dessen Geschichte tief in die Vergangenheit reicht, und erreichen ein weiträumiges Klosterareal. Das Agneskloster (Na Františku 811) wurde in den 30er Jahren des 13. Jahrhunderts, zur gleichen Zeit wie die Prager Altstadt, gegründet. Beteiligt waren dabei drei Mitglieder der Königsfamilie: König Wenzel I., seine Gattin Konstanzia und seine Schwester, die hl. Agnes von Böhmen, die hier Äbtissin war. Das Kloster wurde als Doppelkloster der Klarissinnen und des Minoritenordens angelegt und war das erste gotische Gebäude in den Böhmischen Ländern. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde es für die Zwecke der Nationalgalerie umgebaut.
Die Grenze zwischen zwei historischen Prager Städten, der Altstadt und der Neustadt verläuft entlang der Revoluční-Strasse (Revolutionsstrasse), über den náměstí Republiky (Platz der Republik) und weiter entlang der Strassen Na přikopě (Am Graben) und Národní (Nationalstrasse). Bis auf ein paar Ausnahmen stehen heute hier Bauten aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Entlang dieser Grenze erreichen wir das Můstek (Brückchen) am unteren Ende des Wenzelsplatzes. Der Name leitet sich von einer Brücke ab, die im Mittelalter über den Graben die beiden Städte verband und die heute unter der Erde, in der Metrostation gleichen Namens, zu sehen ist.
Durch die kurze Strasse Na můstku erreichen wir eine weitere ehemalige selbständige Stadt, deren Selbständigkeit allerdings nur von kurzer Dauer war. Die Neue Stadt bei St. Gallus bzw. Gallus-Stadt nimmt die Fläche zwischen dem Obstmarkt (Ovocný trh) und dem Kohlenmarkt (Uhelný trh) ein. Sie entstand während des Baus der Altstädter Stadtmauern. Noch im 13. Jahrhundert verschmolz sie mit der Altstadt. An ihren Ursprung erinnern heute nur noch die - hier ungewöhnlich - geraden Strassen.
Zentrum dieser Gemeinde war die Galluskirche. Der ursprünglich gotische Bau der Pfarrkirche wurde im 17. und 18. Jahrhundert barockisiert. Damals wurde die Kirche Teil des Karmeliterklosters, das hier bis zu den josephinischen Reformen Ende des 18. Jahrhunderts stand.
Vor der Kirche wurden 1362 überdachte Marktbuden erbaut, deren Bazilika-ähnlicher Bau bis zum Kohlenmarkt reichte. Später entstand an ihrer Stelle das heutige Strassennetz, aber die jahrhundertealte Tradition der Märkte dauert bis heute an. Auf einer Parzelle der ehemaligen Buden wurde Ende des 19. Jahrhunderts das Neorenaissance-Gebäude der Tschechischen Sparkasse errichtet (Rytířská 29). Sein Architekt Antonín Wiehl gehört zu den bedeutensten Schöpfern dieses Stils in den Böhmischen Ländern.
Auf der gegenüberliegenden Strassenseite steht das Haus zur Blauen Rose (Rytířská 24). Sein barockes Äusseres verbirgt das einmalige gotische Turmhaus im Inneren. Früher gab es mehrere dieser Häuser in Prag, aber der wandelnde Geschmack ihrer Besitzer liess sie verschwinden.
Die Rytířská-Gasse führt zum einen zum Obstmarkt, wo das Ständetheater steht, und zum anderen zum Kohlenmarkt. Hier befindet sich das Haus zu den drei Goldenen Löwen mit einer Gedenktafel, die an einen der Prager Aufenthalte von W.A.Mozart erinnert. An einem Haus an der gegenüberliegenden Strassenecke, Platýz genannt, erinnert eine Tafel an das hiesige Wirken von Franz Liszt.
Ein kleines Stück weiter finden Sie die Kirche St.Martin in der Mauer. Der etwas seltsame Name erinnert an ihre Geschichte. Das ursprünglich romanische Kirchlein stand in einer alten Gemeinde, die während des Baus der Stadtmauer z.T. in diese eingefasst wurde. Da die Mauer genau um die Kirche herumführte, befand sich diese "in
der Mauer". Während der Gotik wurde sie umgebaut. Auf dem heute nicht mehr existierenden Friedhof waren Mitglieder der bedeutenden Bildhauerfamilie Brokof bestattet.
Die Hauptstrasse dieses Viertels bildet eine Strasse, die heute Husova - Hus-Strasse heisst. Ihre Ursprünge reichen mindestens in die Romanik zurück, wahrscheinlich ist sie aber noch älter, was archeologische Funde beweisen. Auch hier hob sich das Terrain im Laufe der Jahrhunderte. Die einstmals romanischen Erdgeschosse liegen heute im Keller. Die Besiedlung war dicht, wovon auch die zahlreichen Kirchen und Kapellen zeugen, die hier nachweislich standen. Nur ein paar von ihnen sind bis heute erhalten.
In der Husova-Strasse steht die Ägidiuskirche, ursprünglich eine Pfarr-, dann Kapitel- und schliesslich Klosterkirche. Ihr ursprünglich mittelalterliches Aussehen wird von barocken Elementen verdeckt, insbesondere den wunderbaren Fresken von Vaclav Vavřinec Reiner, der hier auch bestattet wurde.
Kehren wir zum nahen Bethlehemplatz - Betlémské náměstí zurück, wo die Bethlehemskapelle steht. Das ursprüngliche Gebäude entstand 1391, nach 1402 predigte hier Jan Hus einige Jahre lang. Seine Verbrennung auf dem Konstanzer Konzil am 6.7. 1415 ist ein Meilenstein in der tschechischen Geschichte. Auch Martin Luther bekannte sich zu seinen Lehren. Im sog. "Predigerhaus" befindet sich eine Ausstellung über nichtkatholische Kirchen und Ideen.
Einziges Überbleibsel einer Reihe romanischer Kirchen ist die hl.Kreuz-Rotunde in der Karolina-Světlá-Strasse. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert und dient trotz aller Wirren der Jahrhunderte bis heute kirchlichen Zwecken. Wir erreichen den ältesten angelegten Uferquai aus den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts, der nach dem tschechischen Komponisten Smetana-Ufer genannt wird. Hier können wir den Spaziergang mit einem schönen Ausblick auf das Burgpanorama und die Karlsbrücke beenden.